Adventskalender #17 – Weihnachten und Kapitalismus – wie der eigentliche Sinn verloren ging…

Weihnachten wird jedes Jahr als „Fest der Liebe“ verkauft. Aber wenn man ehrlich ist, wirkt es inzwischen eher wie eine XXL-Werbekampagne, die im Oktober startet und spätestens im Dezember im kollektiven Kaufrausch endet. Was früher ein ruhiges Familienritual war, ist heute ein Event, das man fast wie ein Pflichtprogramm abarbeitet, um den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Geschenke kaufen, Deko bestellen, Essen planen, perfektes Instagram-Foto machen. Der eigentliche Sinn sollte Gemeinschaft, Dankbarkeit, Ruhe oder auch „Faith“ sein, doch es verschwindet unter To-Do-Listen und vollen Einkaufszentren.

Früher war Weihnachten ein Zeitraum, in dem Menschen sich Zeit füreinander nahmen, auch wenn sie im restlichen Jahr gestresst und abgelenkt waren. Es ging um Nähe, nicht um „Content“. Gerade in traditionellen Familien war Weihnachten weniger ein Spektakel und mehr ein Ritual, um einmal im Jahr endlich zusammen zu essen, zu reden und einfach da zu sein. Heute fühlt sich das fast nostalgisch oder sogar unrealistisch an, weil man es kaum noch schafft, ohne Handy am Tisch zu sitzen – es fehlt die Besinnlichkeit.

Kapitalismus hat dieses Fest nicht zerstört, sondern clever übernommen und deswegen auf eine ganz andere Ebene ruiniert. Er hat verstanden, dass Menschen im Winter emotionaler sind und mehr Sehnsucht nach Wärme, Geborgenheit und Anerkennung haben. Anstatt diese Bedürfnisse sozial zu erfüllen, werden sie kommerziell beantwortet: „Zeig, dass du jemanden liebst, indem du Geld ausgibst.“ Marken nutzen das gnadenlos aus. Weihnachtsaktionen, limitierte Editionen oder Geschenkboxen, alles designed, um dir zu signalisieren, dass du zu wenig tust, wenn du nicht kaufst.

Wir kaufen Dinge, um Gefühle zu ersetzen, was mich sehr traurig macht. Duftkerzen, um Atmosphäre zu „kaufen“, Deko, um „Gemütlichkeit“ zu imitieren, perfekte Geschenke, um schlechte Kommunikation zu kompensieren. Manchmal wirkt es, als wollten wir uns gegenseitig beweisen, dass wir „gute Menschen“ sind…  nicht durch Verhalten, sondern durch Konsum. Und das eigentlich Bittere ist: diese Ersatzhandlungen funktionieren kurzfristig. Die Wohnung sieht schön aus, der Baum glänzt, alle tun so, als wäre alles harmonisch. Aber wenn man ehrlich ist, fühlen sich viele nach Weihnachten leer, geschlaucht oder sogar enttäuscht, weil man sich emotional nichts gegeben hat außer Dingen, auch wenn man es oft nicht erwähnt.

Weihnachten ist dadurch paradox geworden! Wir geben enorm viel Geld aus, um Momente zu kaufen, die man eigentlich nur mit Zeit, Aufmerksamkeit und Geduld herstellen könnte, denn Gefühle und Beziehungen sind eben das, was man nicht kaufen kann. Und genau das sind die Ressourcen, die in unserer Gesellschaft am knappsten sind. Produkte sind leicht zugänglich. Menschlichkeit ist schwer.

Natürlich ist es unrealistisch zu behaupten, wir könnten den Konsum einfach abschaffen. Niemand will plötzlich ein komplett minimalistisches Weihnachten, ohne Geschenke und ohne Essen, außer evtl. „Beige Moms“ im Fall des Minimalismus. Kapitalismus gehört zu unserem Alltag. Aber man könnte realistischerweise wieder mehr Priorität auf das legen, was Weihnachten früher wertvoll gemacht hat: Menschen. Nicht Objekte.

Vielleicht wäre Weihnachten nicht weniger schön, sondern sogar echter, wenn man weniger performt und mehr lebt. Wenn man nicht versucht, perfekte Ergebnisse zu produzieren, sondern akzeptiert, dass echte Nähe chaotisch, unbequem und unbezahlbar ist.

Am Ende geht es nicht darum, Konsum zu „verdammen“. Es geht darum zu erkennen, dass er uns nicht das gibt, was wir eigentlich suchen. Der Sinn hinter Weihnachten verschwindet nicht, weil er unwichtig geworden wäre. Er verschwindet, weil er nicht profitabel ist… Und solange wir Liebe mit Geld verwechseln, wird Weihnachten sich eher wie ein Business als wie ein Feiertag anfühlen.

Vielleicht sollte man sich dieses Jahr weniger fragen „Was soll ich schenken?“ und mehr „Wofür will ich wirklich da sein? Wer ist mir wichtig? Und, wie kann ich dieser Person auf einer zwischenmenschlichen Ebene zeigen, dass sie mir wichtig ist?“

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Hoi Wan Chan