,,Lootmania“ – Pädagogische Revolution, ein Interview mit Karolina Kaczmarczyk

Auf der gamescom in Köln (2025) hatten ich (Hoi Wan Chan) und Pascal Koeber die Gelegenheit, Karolina Kaczmarczyk von Gameshift NRW zu treffen und zu ihrem Spiel Lootmania zu interviewen, ein echtes Highlight für mich, denn ich konnte nicht nur über ihre Arbeit, sondern auch über aktuelle Themen in der Gaming-Branche sprechen. 

Bevor wir ins Interview starten, lohnt es sich, kurz über den Begriff „Dark Patterns“ zu sprechen. Dark Patterns sind Design-Entscheidungen in Spielen oder Apps, die bewusst darauf abzielen, Nutzer*innen zu manipulieren, zum Beispiel damit sie mehr Geld ausgeben, länger spielen oder bestimmte Entscheidungen treffen, die sie eigentlich nicht wollen. Es ist ein spannendes, aber auch kontroverses Thema, gerade in der Gaming-Welt, wo Spieler*innen oft unbewusst beeinflusst werden.

Mit diesem Hintergrundwissen konnten Pascal und ich Karolina direkt auf das Thema ansprechen und gleichzeitig locker ins Gespräch einsteigen. Auf der gamescom, umgeben von der lebhaften Atmosphäre und den bunten Ständen, war die Stimmung perfekt, um über Entwicklungen im Gaming, Loot-Systeme und ethisches Design zu sprechen.

Pascal Koeber:Was habt ihr euch beim Spiel genau gedacht? Also welche Mechaniken oder Dinge im Spiel?“

Karolina Kaczmarczyk: „Bei Lootmania sind unterschiedliche Dark Patterns zu finden, zum Beispiel Lootboxen, die man kennt und sich durch das gesamte Spiel ziehen. Im Spiel geht es darum, Dark Patterns erlebbar zu machen – und zwar überspitzt. Das Spiel ist so programmiert, dass es gar nicht so einfach zu gewinnen ist und zwischendurch immer wieder neue Dark Patterns auftauchen, damit auch mal ein kleiner Frustmoment entsteht. So sollen die Spielenden vielleicht automatisch ins Nachdenken kommen. Lootmania wurde extra dafür entwickelt, in Schulen eingesetzt zu werden: Die Kinder spielen es im Unterricht und reflektieren danach gemeinsam über die Dark Patterns.

Hoi Wan Chan: „Wurde schon einmal in einer Schule damit experimentiert in dem Sinne?“

Karolina Kaczmarczyk: „Genau das haben wir. Das Spiel ist vor ein paar Wochen rausgekommen und wurde schon öfter mal von unserem GAMESHIFT NRW Team in Workshops eingesetzt. Das Ziel ist aber auch, dass Lehrkräfte das Spiel selbstständig im Unterricht einsetzen und anschließend mit den Jugendlichen reflektieren. Mit verschiedenen Reflektionsfragen wird über das Spiel und das Spielerlebnis gesprochen. Etwa: „Wie war das für euch?“ Und am Ende gibt es sogar eine Auswertung, d.h. die Lehrer*innen können anonym sehen, welche Schülerinnen und Schüler im Schnitt auf welche Dark Patterns reingefallen sind. Und anschließend wird geschaut, wo man da pädagogisch ansetzen kann. Bspw.: Welche Gespräche kann man darüber führen, wie kann man noch mehr aufklären und wie kann ich das in meinen Unterricht einbringen, um einen Blick darauf zu bekommen, was bei den Schüler*innen abgeht.“

Pascal Koeber: „Ist das nur für Jugendliche oder auch für Erwachsene gedacht ?“

Karolina Kaczmarczyk: „Die Hauptzielgruppe sind schon Jugendliche – in der Schule sowie in der Jugendarbeit. Aber natürlich ist es so, dass sich auch einige Eltern oder andere Erwachsene, wie Pädagog*innen, sich von Dark Patterns generell, aber auch in unserem Spiel manipulieren lassen. Zum Beispiel muss man direkt am Anfang von Lootmania persönliche Daten eingeben. Zumindest fühlen die Spielenden sich dazu verpflichtet, weil man es so kennt. Dabei kann man kann diesen Abschnitt überspringen. Wir Erwachsene müssen uns immer an die eigene Nase fassen, wie die eigene Mediennutzung aussieht. Deswegen ist das Spiel für alle geeignet.“

Hoi Wan Chan: „Also fallen Erwachsene dann auch häufiger darauf rein?“

Karolina Kaczmarczyk: „Auf jeden Fall! Ich glaube, dass Erwachsene selber total schnell manipuliert werden können. Dark Patterns sind ja nicht nur Teil von Spielen, sondern auch Teil von Social Media, zum Beispiel das Doom Scrolling. Wie oft man selbst viel zu lange am Smartphone verbringt, weil man endloss scrolled oder doch ab und zu mal Geld für eine Lootbox ausgibt – ich glaube, dass Erwachsene sich da selbst auch manupulieren lassen können – wie Kinder auch. Dieses Verhalten stellen wir auch ganz oft fest, wenn wir mit Eltern oder Pädagog*innen arbeiten und sie dazu anregen, ihre eigene Mediennutzung und die Zeiten zu reflektieren.“

Pascal Koeber: „Wie ich jetzt gesehen habe, ist das Spiel ab 6 Jahren. Wie habt ihr es hingekriegt, dass das Spiel ab 6 ist und nicht zum Beispiel ab 12?“

Karolina Kaczmarczyk: „Wir haben das Spiel bei der USK eingereicht und bei der Einreichung klar hervorgehoben, dass die Dark Patterns im Spiel nicht echt sind und dass das Spiel ein Serious Game ist, welches ein klares Lernziel verfolgt.“

Hoi Wan Chan: „Was ist das häufigste Schema von Menschen beziehungsweise Benutzern? Worauf sind die Menschen am ehesten reingefallen?“

Karolina Kaczmarczyk: „Spannende Frage, tatsächlich ist das total unterschiedlich. Wir bei GAMESHIFT NRW arbeiten mit sogenannten Mediennutzungstypen, d.h. das sind Personas, die zeigen, dass jeder Mensch Medien unterschiedlich nutzt. Zum Beispiel die, die eher kompetitiv unterwegs sind, die kaufen sich Lootboxen, um besser zu werden. Diejenigen, denen es wichtig ist, sozial anerkannt zu werden, möchten auf der Bestenliste zu stehen. Also es gibt nicht die Antwort, es ist eher individuell, wie jeder Mensch tickt und wie Medien auch dementsprechend genutzt werden. Deswegen verwenden wir diese Mediennutzungstypen vor allem in der Elternarbeit, um ein Verständnis zwischen Eltern und Kindern zu verbessern und so bedürfnisorientierte Medienerziehung zu fördern.

Pascal Koeber: „Ist es nur für das Handy verfügbar oder auch für den PC?“

Karolina Kaczmarczyk: „Lootmania kann mobile auf Android und iOS Geräten gespielt werden. Das Spiel ist aber auch im Browser auf unserer Homepage eingebunden. Als Zusatz haben wir pädagogisches Material sowie E-Learning-Angebote entwickelt, damit auch Lehrkräfte selbsbständig mit dem Spiel arbeiten können. Lootmania wird von uns als Material gesehen, welches man als ein Tool in der eigenen pädagogischen Arbeit verwenden kann. Darüber hinaus gibt es auf unserer Homepage weiteres Material für verschiedene Zielgruppen zu entdecken.“

Hoi Wan Chan: „Wie viele Menschen haben an diesem Projekt gearbeitet? Und wie lange hat es gedauert, bis dieses Projekt so ausgereift ist?“

Karolina Kaczmarczyk: „Gute Frage, ich würde schon sagen, dass der Entwicklunsgprozess ungefähr ein Jahr gedauert hat. Wir haben dabei mit zwei tollen Partnern zusammengearbeitet: Fusion Campus unterstützte uns bei der Konzeption, Wegesrand übernahm die inhaltliche und technische Umsetzung. Wir waren bei jedem Schritt eng eingebunden und freuen uns sehr, dass Lootmania nun für alle verfügbar ist.“

Hoi Wan Chan: „Möchtest du noch was an die Leserschaft sagen, eine Information, die wichtig ist oder sonstiges?“

Karolina Kaczmarczyk: „Wir würden uns natürlich freuen, wenn ihr auf unserer Homepage vorbeischaut. Unser Projekt GAMESHIFT NRW zielt darauf ab, verantwortungsvolle und gesunde Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Dafür arbeiten wir mit Eltern, Lehrkräften, pädagogischen Fachkräften ud natürlich Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Formaten zusammen. All unsere Angebote sind kostenlos. Wir kommen zum Beispiel an Schulen, Bibliotheken oder auch Jugendzentrum in ganz NRW. Man kann uns entsprechend buchen und gucken, dass wir unsere pädagogische Arbeit gemeinsam gestalten können.“

Hoi Wan Chan: „Dankeschön. Auch für deine Zeit!“

Unser Gespräch mit Karolina Kaczmarczyk von Gameshift NRW auf der gamescom war für mich ein echtes Highlight. Lootmania ist ein Serious Game, das Kindern und Jugendlichen spielerisch die Mechanismen von Dark Patterns näherbringt. In vier abwechslungsreichen Minispielen, darunter ein Quiz, ein Wettrennen, ein Schätzspiel und ein Escape Room, erleben Spieler*innen, wie subtile Designentscheidungen sie zu bestimmten Handlungen bewegen können. Nach jedem Spiel werden die eingesetzten Dark Patterns erklärt und die Spieler*innen für ihren Umgang damit sensibilisiert.

Während unseres Gesprächs hatte ich die Gelegenheit, mit Karolina über die Entwicklung von Lootmania zu sprechen und zu erfahren, wie wichtig es ist, junge Menschen für manipulative Mechanismen in digitalen Anwendungen zu sensibilisieren. Besonders beeindruckt hat mich, wie Lootmania auf spielerische Weise Wissen vermittelt und gleichzeitig zum kritischen Denken anregt. Dies kann man als pädagogische Revolution ansehen, denn sie passt sich perfekt dem Zeitalter und der Zielgruppe an.

Ich finde es großartig, dass es Projekte wie Gameshift NRW gibt, die sich für eine verantwortungsbewusste Mediennutzung einsetzen und jungen Menschen helfen, digitale Angebote bewusster wahrzunehmen. Gerade in einer Zeit, in der digitale Anwendungen allgegenwärtig sind, ist es wichtig, dass wir uns der möglichen Manipulationen bewusst sind und lernen, ihnen zu begegnen. Ich denke, das ist auch eine super Bereicherung für Eltern, wenn sie mit ihren Kindern gemeinsam diese Materialien durchgehen.

Für mich persönlich war das Interview eine wunderbare Mischung aus Inspiration, Unterhaltung und Aufklärung. Es hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass Spieler*innen informiert sind und wie wertvoll Gespräche mit Entwickler*innen sein können. Ich bin sehr dankbar für diese Gelegenheit und kann nur jedem empfehlen, sich bewusst mit digitalen Anwendungen auseinanderzusetzen, so wird der Umgang mit ihnen nicht nur sicherer, sondern auch bereichernder.

GAMESHIFT NRW wird durch die gemeinnützige Pacemaker Initiative von EDUCATION Y durchgeführt.

Schaut gerne auf der offiziellen Website vorbei! 

       

Hoi Wan Chan