Ich liebe Gaming. Und ich liebe Anime. Das sind Welten, in die ich seit Jahren mit Freunden flüchte, die mich prägen, die mich inspirieren. In diesen Geschichten habe ich nicht nur Spannung, Action oder Magie gefunden, sondern auch Charaktere, die mich wirklich berühren, ganz besonders weibliche, starke Figuren. Ich liebe diese Frauen, die kämpfen, heilen, führen, zaubern, lieben, über sich hinauswachsen. Sie geben mir Mut, sie geben mir Vorbilder, sie geben mir eine Idee davon, wie vielfältig und stark Frauen sein können. Aber gleichzeitig merke ich immer mehr, viele dieser Figuren werden in ihren Games oder Animes nicht wirklich ernst genommen. Sie sind heiß, ja, aber nicht immer heldenhaft. Sie sind hübsch designed, aber viel zu oft einfach nur da, um den Zuschauern oder Spielern „zu gefallen“. Ich rede von Fanservice , diesem Phänomen, das irgendwo zwischen Spaß und Frust liegt, und das für mich mittlerweile nicht mehr einfach nur „lustig“ oder „Teil der Animekultur“ ist, sondern ein richtiges Problem.
Es ist ein komisches Gefühl, das ich habe, wenn ich zum Beispiel eine Serie wie Sword Art Online schaue, die ich eigentlich liebe. Ich mochte die erste Staffel total. Ich mochte Kirito, klar, aber noch mehr hat mich Asuna fasziniert. Sie war stark, klug, mutig, sie hat gekämpft, Entscheidungen getroffen, war mehr als nur das „Love Interest“. Aber dann – Staffel für Staffel wurde sie immer mehr zur hübschen Begleitung, zur „Damsel in Distress“, zur Figur, die beschützt werden muss, während ihr Design immer körperbetonter wurde, auch wenn schon in der ersten Staffel sehr viele anzügliche Dinge passiert sind. Plötzlich lag der Fokus nicht mehr auf ihrer Persönlichkeit, sondern auf ihrer Figur, auf Kamerawinkeln, auf Outfits, die weniger mit Kämpfen als mit Catwalks zu tun hatten. Und Asuna ist nicht allein. In fast jeder zweiten Isekai-Serie oder Fantasy-Story passiert das. Die Frauen werden eingeführt als starke Charaktere und nach ein paar Folgen sind sie reduziert auf Brüste, Röcke, bestimmte „Typen“: die stille Loli, die sexy Dämonin, die naive Heilerin mit der übergroßen Oberweite.
Ein anderes Beispiel ist The Apothecary Diaries. Ich liebe Maomao. Sie ist clever, schlagfertig, skeptisch, neugierig – eine weibliche Hauptfigur, die man so selten bekommt. Sie nutzt ihr Wissen, nicht ihre Schönheit, um in einer Welt zu überleben, die von Macht und Intrigen dominiert wird. Und ja, es gibt vereinzelt Szenen, die in Richtung Fanservice kippen, aber sie fühlt sich trotzdem noch „echt“ an. Was mich stört, ist eher das Drumherum. Kommentare, Edits, TikToks, die sich weniger für ihre Intelligenz interessieren, sondern für „cute reactions“ oder „hidden feet shots“. Ich frage mich dann, warum nehmen wir so eine komplexe Figur und versuchen sie trotzdem in die gleiche sexy, quasi unterwürfige Schablone zu pressen, wie alle anderen? Warum darf eine Frau nicht einfach nur interessant sein, ohne auch gleich ein Objekt der Begierde sein zu müssen? Ganz abgesehen davon, wie die anderen weiblichen Charaktere drumherum dargestellt werden…
Das Ganze ist natürlich kein neues Phänomen. Serien wie One Piece zeigen das seit Jahrzehnten, schaut man sich Nami oder Robin an. Gerade in den neueren Arcs fällt einem sofort auf, wie absurd sich ihre Körper entwickelt haben. In den frühen Folgen wirkten sie noch menschlich, jetzt erinnern sie eher an Barbiepuppen mit Wespentaillen und unrealistischen Proportionen. Gleichzeitig sehen alle männlichen Figuren, selbst Clowns, Tiere oder Opa-Figuren, komplett unterschiedlich aus. Warum dürfen Männer in Anime unterschiedlich aussehen, aber Frauen nicht? Warum scheinen alle Heldinnen nach dem Motto designed zu sein: „Je stärker du wirst, desto größer dein Busen und/oder desto weniger dein Outfit“?
Ich will nicht falsch verstanden werden. Ich hab nichts gegen sexy Outfits (Eigentlich schon erheblich, da es nichts zu der Storyline beiträgt). Ich habe nichts gegen Charaktere, die offen mit ihrer Sexualität umgehen, aber erhebliche Probleme gegen die unnötigen erotischen Szenen. Ich finde sogar, dass das empowernd sein kann, wenn es denn gut gemacht ist, wenn eine Frau selbst entscheidet, was sie tragen will, sei es bedeckt oder freizügig, da es eine persönliche Entscheidung jedes einzelnen ist. Es gibt aber auch Charaktere, wo es meiner Meinung nach vollkommen unangebracht ist, wie z.B. Nonnen in vielen Animes. Zugleich gibt es Charaktere, die das für sich nutzen und bei denen es Teil ihrer Persönlichkeit ist. Bayonetta zum Beispiel ist überdreht, sexy, sarkastisch, total in Kontrolle über ihre Wirkung. Da hat der Fanservice fast schon Stil, auch wenn es nicht sein muss, meiner Meinung nach. Oder Lisa aus Genshin Impact (auch wenn ich nicht ein sonderlicher Fan von Genshin bin). Sie flirtet bewusst, sie kokettiert, sie weiß, wie sie wirkt, aber es passt zu ihr und es ist nicht erzwungen. Solcher Fanservice ist okay für mich, weil er Teil des Charakters ist. Aber viel zu oft ist er einfach reingezwängt. Ohne Sinn. Ohne Logik. Einfach nur, damit „etwas für die Fans“ dabei ist.
Ein Paradebeispiel für diese Art von „forciertem Fanservice“ ist Fire Force. Da gibt es eine Figur, Tamaki, deren ganze Persönlichkeit auf einem einzigen Gimmick basiert: Sie stolpert ständig, ihre Kleidung fällt runter, Männer landen zwischen ihren Beinen – immer „zufällig“, immer „witzig“, aber eigentlich immer einfach nur peinlich. Sie wird jedes Mal aus dem Geschehen rausgerissen, nur damit der Fanservice funktioniert. Man vergisst, dass sie eigentlich Feuerwehrfrau ist, Teil eines Elite-Teams, mit potenziell spannender Story. Alles was bleibt, ist Slapstick-Sexualisierung. Das frustriert mich.
Und dieser Frust geht weiter in vielen Spielen. In League of Legends zum Beispiel sind weibliche Champions oft sehr unterschiedlich, aber viele wurden lange nach einem klaren Muster entworfen: sexy, schlank, kurvig, „vermarktbar“. Es gibt Figuren wie Ahri oder Evelynn, die extrem stark sexualisiert wurden und werden, lange bevor ihre Lore überhaupt ausgebaut wurde. Erst später, mit den neuen Champions wie Seraphine, Nilah oder Briar, hat man angefangen, mehr Diversität in Designs und Persönlichkeiten zu bringen. Aber trotzdem, der erste Impuls vieler Entwickler scheint oft noch zu sein, Frauen „visuell verwertbar“ zu machen, bevor sie inhaltlich interessant sein dürfen.
Das ist nicht nur schade, es ist auch gefährlich. Denn viele junge Menschen, so wie ich, wachsen mit diesen Bildern auf. Wir lernen, was „starke Frauen“ angeblich sind oder sein sollen? Hübsch, schlank und verfügbar. Wir sehen, dass Heldinnen immer sexy sein müssen, während Helden alles sein dürfen: dick, klein, alt, verrückt, maskiert. Das wirkt sich auf unser eigenes Selbstbild aus. Ich frage mich manchmal, ob es Frauen gibt, die sich, nachdem sie sowas gesehen haben, fragen: „Bin ich episch genug, hübsch, kurvig aber auch gleichzeitig schlank genug, um wie eine Heldin zu wirken? Oder bin ich nur eine Nebenfigur, weil ich nicht so aussehe wie 2B, Tifa oder Yennefer?”
Ich will das nicht einfach so akzeptieren. Ich will mehr sehen als nur Fanservice. Ich will Figuren, die inspirieren, nicht nur reizen. Ich will, dass Maomao für ihre Klugheit gefeiert wird, nicht für ihre nackten Füße oder ibtc (ich war sehr verstört, als ich herausgefunden habe, was es ist und warum Maomao nur darauf reduziert wird in bestimmten Kreisen. Es soll es wohl „itty bitty titty community“ bedeuten, was ich persönlich bescheuert finde, sie darauf zu reduzieren. Maomao ist so viel mehr als das). Dass Sakura aus Naruto nicht nur dafür bekannt ist, „nervig” zu sein, sondern dafür, dass sie als einzige aus dem Team medizinisches Wissen nutzt, um andere zu retten. Ich will, dass weibliche Charaktere komplex, widersprüchlich, stark, schwach, schön, verletzlich, gefährlich, mutig und verwirrend sein dürfen – genau wie männliche Figuren auch.
Es gibt positive Beispiele. Demon Slayer zum Beispiel macht das stellenweise ziemlich gut. Nezuko wird zwar oft als süß und stumm dargestellt, aber sie hat eine unglaubliche Kraft in sich und ihre Beziehung zu Tanjiro ist nicht romantisch, sondern familiär, liebevoll, gleichwertig. Auch Mitsuri, die „Love Hashira“, hat zwar ein sehr auffälliges Outfit, aber sie ist nicht nur süß, sondern auch stark und emotional reif. Oder Attack on Titan. Dort sind Figuren wie Mikasa oder Historia nicht sexualisiert, sondern in erster Linie Kämpferinnen mit klaren Motivationen und Entwicklungen.
Auch Spiele wie The Last of Us Part II zeigen, dass es anders geht. Abby ist muskulös, stark, kein typischer „Männertraum“ – und genau deshalb wurde sie online heftig angefeindet. Weil sie nicht in die gewohnte Schablone passte. Aber sie war real. Genauso Ellie – verletzlich, tough, lesbisch, rachsüchtig. Eine Figur mit Ecken und Kanten, die nicht nur als Love-Interest existiert. Genau solche Figuren will ich mehr sehen.
Ich frage mich, warum das so schwer zu verstehen ist für viele Studios. Es ist doch nicht weniger aufwendig, einen interessanten weiblichen Charakter zu schreiben. Im Gegenteil… Es macht die Story besser, wenn Figuren sich wie echte Menschen anfühlen und nicht wie Wunschprojektionen. Ich glaube, viele Entwickler unterschätzen ihr eigenes Publikum. Sie denken, Fans wollen „boobs and battles“, aber in Wahrheit wollen viele einfach gute Stories, komplexe Figuren, emotionale Tiefe und vielleicht sogar Identifikation.
Klar, es gibt auch die andere Seite. Manche Fans WOLLEN genau diesen übertriebenen Fanservice. Es ist Teil ihrer Ästhetik, ihrer Kultur, ihres Humors. Ich will ihnen das gar nicht verbieten (auch wenn ich jene persönlich verabscheue). Ich will nur, dass es nicht alles ist. Dass es Raum gibt für beides… für Hotness und für Heldinnen. Jene könnten ja ein separates Format bekommen, welches nur darauf ausgelegt ist, aber es sollte eben nicht überall so sein. Für Style und für Substanz. Dass man auch mal hinterfragt, ob es wirklich nötig ist, dass ein Charakter in einem Schneesturm einen Bikini trägt oder ob das einfach nur faules Writing ist.
Ich glaube, es geht um Balance. Um Respekt. Um die Frage, für wen machen wir das eigentlich? Und warum? Wenn ich mir eine Serie oder ein Spiel anschaue, will ich nicht ständig das Gefühl haben, dass die Kamera meinem Blick vorschreiben will, was ich sexy finden soll. Ich will selbst entscheiden, was ich bewundere, was ich schön finde, was mich berührt. Und das geht nur, wenn mir Figuren auf Augenhöhe begegnen. Wenn sie nicht nur „für mich gemacht” sind (auch wenn sie nicht für mich gedacht sind, denn ich kann sowas nicht leiden), sondern auch für sich selbst existieren dürfen.
Ich liebe Gaming-Girls. Ich liebe Anime-Heldinnen. Aber ich wünsche mir mehr Geschichten, in denen sie nicht nur sexy Nebenfiguren oder Trophäen sind, sondern die Hauptfiguren ihrer eigenen Geschichte. Frauen, die Fehler machen, die wachsen, die kämpfen, die weinen, die auch mal unbequem sind. Denn das ist es, was mich wirklich fesselt. Nicht der Kamerazoom auf den Hintern, sondern der Moment, in dem eine Figur über sich hinauswächst.
Fanservice kann lustig sein. Fanservice kann sogar empowernd sein, wenn er bewusst eingesetzt wird. Aber er darf nie das Einzige sein, was eine Figur ausmacht. Und er darf nie auf Kosten der Glaubwürdigkeit, der Story oder der Würde eines Charakters gehen. Ich will mehr als schöne Outfits. Ich will Geschichten, die im Kopf bleiben nicht nur auf dem Bildschirm.
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