Der größte Gaming-Skandal des letzten Jahres und jetzt kehrt der Entwickler zurück

Quelle: Game Two The Day Before: Die Anatomie einer Shitshow

The Day Before wurde über Jahre hinweg mit Spannung erwartet und konnte sich sogar Platz 1 der meisterwarteten Spiele auf Steam sichern. Zu Release folgte dann aber die große Ernüchterung: Der Titel war ein komplettes Desaster. Statt eines Survival-MMOs haben wir einen unfertigen Extraction-Shooter mit einer leeren Spielwelt und jeder Menge Problemen bekommen. Dabei gab es schon vor Release so einige Anzeichen, dass mit The Day Before irgendetwas nicht stimmen konnte.

The Day Before-Trademark

Die grafisch bombastischen ersten Trailer kombiniert mit dem eher unbekannten Namen des Entwicklerstudios Fntastic dürften wohl die ersten Red Flags für viele gewesen sein. Wie wahrscheinlich war es, dass ein Studio ohne einen einzigen großen Titel so ein Spiel tatsächlich auf die Beine stellen kann? Dass hier nicht alles komplett professionell abläuft, hat sich spätestens dann gezeigt, als das Spiel plötzlich zwischenzeitlich von Steam verschwunden war. Grund dafür war, dass die Entwickler*innen vergessen hatten, den Namen „The Day Before“ zu schützen und ein Kalender-Entwickler den gleichen Namen genutzt hatte.

Geklautes Trailer-Material und Fake-Gameplay?

Auch in den gezeigten Trailern zum Spiel versteckten sich einige ungute Anzeichen. Einer der Gameplay-Trailer etwa wies eine verdächtige Ähnlichkeit zum Zombie-Trailer von Call of Duty: Black Ops Cold War auf. Das ging sogar so weit, dass mehrere der Kameraeinstellungen einfach eins zu eins übernommen wurden.

Manche Spieler*innen warfen den angeblichen Gameplay-Szenen sogar vor, KI-generiert oder komplett gescriptet zu sein, also mehr einer gefakten Demo als tatsächlichem Gameplay zu entsprechen. Auch Magazine wie Gamestar haben sich Gameplay-Trailer vor Release ganz genau angeschaut und so einige Warnzeichen entdeckt.

The Day Before: Zwischen Betrug und Inkompetenz

Erinnert ihr euch noch an die Aussage, dass es vor Release eine Beta zu The Day Before geben sollte? Das hatte der Entwickler zumindest im April 2023 angekündigt. Dann rückte der Release allerdings immer näher, ohne dass genauere Infos folgten. Auf Nachfrage von IGN hat Fntastic dann zugegeben, dass die Beta gar nicht für alle ist, sondern nur „freiwilligen Helfer*innen“ zur Verfügung stehe.

Apropos freiwillige Helfer*innen: Nicht jede Person, die an der Entwicklung von The Day Before beteiligt war, wurde auch dafür bezahlt. Das Studio setzte nämlich größtenteils auf „Vollzeit-Freiwillige“. Diese Personen, von denen über 100 bei Fntastic „angestellt“ waren, haben sich um Bereiche wie Lokalisierung, Moderation und das Testen von Game Builds gekümmert – natürlich alles, ohne einen Cent dafür zu bekommen.

The Day Before wurde vor Release außerdem mehrmals verschoben – das ist für sich genommen in der Spieleentwicklung nicht ungewöhnlich. Eine Verschiebung des geplanten Januar-Releases auf November dürfte hier auch niemand hinterfragt haben. Als der Titel dann jedoch eine Woche vor dem geplanten November-Release auf Dezember verschoben und plötzlich zum Early Access-Titel deklariert wurde, schrillten schon ein paar mehr Alarmglocken.

Ebenfalls interessant: Einige Tage vor Release hat der Entwickler alle Trailer des Spiels, die älter als ein Jahr waren, auf YouTube versteckt oder gelöscht, wie User auf Reddit entdeckt haben. Eine offizielle Begründung dafür gab es natürlich nicht, aber die Vermutung liegt nahe, dass wir so vorab gezeigtes Material nicht mit dem tatsächlichen Gameplay vergleichen können. Mittlerweile wurden alle Trailer vom offiziellen YouTube-Kanal entfernt.

„Entliehene“ Assets

Auch abseits des verdächtig nach CoD aussehenden Trailers gab es im Promo-Material zum Spiel so einige Ähnlichkeiten zu anderen Titeln, wie etwa The Division oder The Last of Us – man schaue sich nur einmal den Schriftzug des Logos an!

Dass in The Day Before anscheinend nicht allzu viel Eigenarbeit steckt, haben Spieler*innen auch nach Release entdeckt. Allem Anschein nach handelt es sich nämlich bei der Stadt schlicht um ein Asset-Paket aus dem Unreal Engine-Store, das man für 300 Euro kaufen kann. Schaut man sich die Versprechungen von The Day Before an, wirken die Lügen und Tricksereien umso dreister. Denn auch wenn es Anzeichen gab, dass hier nicht alles in Ordnung ist, hat sich der Entwickler doch jede Menge Mühe gegeben, das zu verstecken und so potentielle Interessierte effektiv ausgetrickst.

Immerhin bleibt ihr nicht auf den Kosten sitzen, wenn ihr euch das Spiel selbst geholt habt. Anstatt der üblichen Regelung von maximal zwei Stunden Spielzeit, könnt ihr The Day Before nämlich auch dann auf Steam zurückgeben, wenn ihr länger gezockt habt und bekommt den vollen Preis zurück.

Die Aussagen der Entwickler klingen heute wie Hohn:

Wir legen großen Wert auf den Sound im Spiel, um die Spielwelt realistisch erscheinen zu lassen. Aus diesem Grund haben wir auf HUD-Indikatoren verzichtet und konzentrieren uns auf hochwertigen Surround-Sound, welcher ein wichtigster Bestandteil der Glaubwürdigkeit und der Atmosphäre der Spielwelt ist.

Fntastic via IGN im März 2021

Fntastic kehrt nun zurück mit einer neuen Kickstarter Kampagne für ein neues Spiel und will wieder euer Geld. Vorsicht ist geboten!