Elfenzauberer Solas, der auch als Schreckenswolf oder Fen’Harel bekannt ist, ist drauf und dran, mit einem mächtigen Ritual den titelgebenden Schleier, eine mächtige Barriere zwischen dem Reich Thedas und einer magischen Dimension, einzureißen. Zusammen mit den Zwergen Varric und Harding sowie Neuzugang Neve Gallus gilt es, das zu verhindern – was auch tatsächlich klappt. Zumindest theoretisch. Zwar wird das Ritual unterbrochen, wodurch Solas in der Dimension des Nichts landet, gleichzeitig werden aber auch zwei von Machtgeilheit und tyrannischen Gedanken getriebene Elfengötter befreit. Der neue Plan? Eben jene Götter, die Teil des Evanuris waren, aufhalten, bevor sie die freien Völker von Thedas unterjochen und dem Erdboden gleichmachen.
Als Franchise-Frischling werdet ihr auch nicht gänzlich den fulminanten Charakter von Solas genießen können: Für mich ist der glatzköpfige Elf einer der bestgeschriebenen und spannendsten Charaktere, die Bioware jemals erschaffen hat. Und das auch schon, bevor er sich am Ende von Inquisition als Fen’Heral entpuppt oder seinen wahren Plan in Trespasser erklärt hat. Solas ist vielschichtig, seine Motivation ist grundlegend nachvollziehbar und er ist bei weitem nicht durchtrieben böse. Nein, er ist sogar in gewisser Art ein gebrochener Charakter, der vieles in seiner Vergangenheit bereut und sich vor allem schuldig fühlt. Das möchte er wiedergutmachen, selbst wenn er dafür nicht gerade wenige Leben opfern muss. Gleichzeitig weiß man nie, woran man bei ihm wirklich ist und ob das, was er zu Worte gibt, tatsächlich stimmt. Nicht, dass er lügen würde, aber er weiß mit Worten gut umzugehen und die Wahrheit so zu drehen, dass er mit seinen Vorhersagen im Recht lag.
Dagegen bleiben die beiden Elfengeschwister die meiste Zeit eher blass. Im Grunde ist vor allem Elgar’nan das typische Abziehbild eines Tyrannen: arrogant, überheblich, tief bis ins Innerste böse und immer der Meinung, dass nur er die Völker in eine bessere Zukunft führt, selbst wenn dafür halt ein paar Millionen sterben müssen. Ghilan’nain ist noch weniger als das, weil sie eigentlich nur Befehle ausführt, ohne selbst zu denken. Das ist schade, denn Solas beweist ja, dass Bioware deutlich spannendere Antagonisten schreiben kann.
Grafik und Gameplay
Der Charaktereditor bietet viele Optionen zur Anpassung von Gesichtszügen und Frisuren. Auch die Texturen und Landschaften sind größtenteils beeindruckend, wobei besonders die Beleuchtung und die Landschaften positiv hervorstechen.
Das Kampfsystem ist eine vereinfachte Version des God of War–Stils. Es gibt verschiedene Aktionen, wie Blocken, Parieren, leichte und schwere Schläge sowie die Möglichkeit, die Fähigkeiten der Gefährten zu kombinieren. Die Kämpfe sind auf den ersten Blick spannend, wirken jedoch schnell repetitiv, da die Gegner immer ähnliche Archetypen aufweisen und keine großen taktischen Herausforderungen bieten. Das Zeitfenster für Ausweichmanöver ist großzügig, wodurch auch Gegner deutlich stärkerer Stufen einfach besiegt werden können. Die simplen Animationen, beispielsweise während des Waffenwechsels oder der Schwertkämpfe, sind monoton und sehen immer gleich aus, was den Eindruck von Detailarmut verstärkt.
Es gibt einen riesigen Skillbaum und da muss ich wirklich sagen: „Geil, dass man jeder Zeit kostenlos umskillen und sich ein bisschen ausprobieren kann.“ Am Anfang wählt man aus einer von drei Klassen, Krieger, Schurke und Magier, wobei sich alle ein bisschen anders spielen, aber grundsätzlich immer ähnlich funktionieren. Anstatt beim Krieger mit dem Schild zu blocken, kann man beim Schurken und Magier mit dem richtigen Timing ausweichen. Man erhält Klassenressourcen, indem man normale Schläge landet und kontert. Auch das System, bei dem Ausrüstungsgegenstände durch Kombinationen stärker werden, kann positiv hervorgehoben werden.
Charaktere und Dialoge
Die Charaktere und Dialoge sind solide, aber nicht besonders tiefgehend. Im Vergleich zu anderen Bioware-Titeln, wie Mass Effect, fehlen tiefere moralische Entscheidungen und die Möglichkeit, mit den Charakteren wirklich in Konflikt zu geraten. Wenn man zum Beispiel böse sein will, geht das nicht, sondern wird abgeblockt. Zum Beispiel wollte ich einen Typen als Idioten beleidigen, mein Charakter fragte aber nur „Wer bist du?“, ohne den Zusatz der Beleidigung, weshalb ich mir schon ein bisschen veralbert vorkam. Also warum diese Option dann überhaupt anzeigen? Generell sind die bösen Optionen im Spiel eigentlich auch nur positive Option, die etwas ernster ausgedrückt sind. Auch die Romantikoptionen sind sehr oberflächlich und werden vom Spiel stark vereinfacht, da man durch Symbole sofort erkennen kann, welche Antwort die romantische Option darstellt. Man muss also nicht selber überlegen, welche Antwortmöglichkeit zu welchem Ergebnis führt. Ihr seht einfach nur die Symbole an und könnt demnach entscheiden. Wenn ihr dann eine Romanze bis zum Ende durchgebracht habt, fallen diese Option für alle anderen Charaktere in Zukunft einfach nur weg, auch wenn ihr in der Vergangenheit schon mit diesen geflirtet habt. Fragen die sich nicht, was das sollte oder warum man sich jetzt für jemand anderen entschieden hat? Diese Dialoge gibt es nicht, obwohl es sie bei Mass Effect in der Vergangenheit durchaus noch gab. Also ich verlange jetzt hier nichts Unmögliches. Das alles hat Bioware in den letzten Titeln schon integriert, aber, warum auch immer, jetzt nicht mehr.
Diese Oberflächlichkeit zieht sich durch das gesamte Spiel. Auch die Entscheidungsfreiheit ist begrenzt und viele Dialoge haben nur minimale Auswirkungen, was viele Fans enttäuschen dürfte. Und obwohl das Szenario eigentlich super düster sein könnte, ist es für meinen Geschmack viel zu positiv, wie die Charaktere die ganze Zeit miteinander reden. Es ist schon so ein bisschen, als ob ihr eine Kinder-Fußballmannschaft die ganze Zeit motivieren wollt und Ansprachen haltet nach dem Motto: „Wenn wir uns einfach nur anstrengen, schaffen wir alles.“
Erkundung und Rätsel
Die Welt von Veilguard besteht aus voneinander getrennten Gebieten, was zu einem weniger zusammenhängenden Weltgefühl führt. Die Erkundung macht jedoch Spaß und nach abgeschlossener Story kann man zurückkehren, um Nebenquests und Rätsel zu lösen. Die Rätsel sind abwechslungsreich, wenn auch teilweise simpel. Aber sie belohnen Spieler mit nützlicher Ausrüstung. Allerdings fällt die „unorganische“ Struktur der Welt auf – vor allem bei Übergängen zwischen Gebieten, die abrupt und ohne Erklärung erfolgen. Wir sind beispielsweise im Boot, um ein Unterwassergefängnis zu besuchen und ich denke mir: „Okay, wie komme ich jetzt von hier dahin? Muss ja ein richtig geiler Übergang sein.“ Also fährt man mit diesem Boot los, aber dann kommt erstmal ein Schnitt und man ist mitten in der Walachai und hat keine Ahnung, wie man hergekommen ist, wo man genau ist oder wie lange man gebraucht hat. Dann macht eine Zauberin einen Zauber, es entsteht ein Wirbel, man wird mit dem Boot eingesaugt, es kommt eine schwarze Überblende und auf einmal steht man mitten im Unterwassergefängnis und kann unter Wasser offensichtlich atmen oder was auch immer. Ich habe keinen Kontext, ich weiß nicht, wo die Zauberin ist, wo das Boot ist, was der Plan ist oder wie wir hier wieder rauskommen. Mir fehlt so viel Kontext, dass ich mir einfach was denke und das Gefühl habe, dass hier das Budget in letzter Instanz gefehlt hat, um diese Dinge ausschmücken zu können.
Fazit
Dragon Age: The Veilguard ist ein gutes, aber nicht außergewöhnliches Spiel, das vor allem durch seine simplen und repetitiven Elemente in den Bereichen Kampf, Entscheidungen und Charakterentwicklung enttäuscht. Zwar gibt es einige sehr gut umgesetzte Aspekte, wie die visuellen Effekte, aber die insgesamt geringere Komplexität und die oberflächlichen Dialoge machen das Spiel zu einer „Bioware-light“-Erfahrung. Für Spieler, die ein actionorientiertes RPG mit einer ansprechenden Story suchen, bietet Veilguard solide Unterhaltung, doch wer tiefere, bedeutungsvollere Entscheidungen und Charakterinteraktionen erwartet, könnte enttäuscht werden. Insgesamt fühlt sich das Spiel wie eine vereinfachte Version der klassischen Bioware-Formel an. Dragon Age ist für mich persönlich eine Herzensangelegenheit, weswegen es schmerzt, was aus dem neuesten Teil geworden ist.
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