Warum handeln wir nicht?

Es ist ein weit verbreitetes Phänomen in der heutigen Gesellschaft, dass wir über große, bedeutende Themen sprechen, die uns bewegen, wie die Rechte von Frauen in Ländern wie Afghanistan, die Probleme von Fast Fashion und deren Auswirkungen auf die Umwelt, die Ausbeutung von Arbeiterinnen oder die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich – „The rich get richer and the poor get poorer“. Wir wissen, dass diese Themen wichtig sind, sie beschäftigen uns, und wir reden viel darüber. Aber am Ende des Tages, wenn der Diskurs verebbt, bleibt oft die Frage: Warum tun wir dann nicht wirklich etwas, um Veränderungen zu bewirken? Warum reden wir immer wieder über all diese drängenden Probleme, ohne die Verantwortung zu übernehmen, aktiv zu handeln und uns für die Veränderung einzusetzen, die wir uns wünschen?

Vielleicht ist der erste Schritt, zu verstehen, warum es so schwierig ist, über die bloße Diskussion hinauszugehen. Die Wahrheit ist, dass wir als Gesellschaft in einer Art Teufelskreis stecken, der es uns oft schwer macht, echte Veränderungen herbeizuführen. Ein wichtiger Faktor ist das Gefühl der Überforderung. Die Probleme, die wir thematisieren, sind oft so groß, so komplex und weitreichend, dass es uns schwerfällt, sie in einem persönlichen Kontext zu begreifen.

Nehmen wir das Beispiel der Frauenrechte in Afghanistan. Wir sehen Berichte, Bilder und Geschichten von mutigen Frauen, die unter extremen Bedingungen kämpfen, um ihre grundlegenden Rechte einzufordern. Es ist ein Thema, das uns emotional berührt, uns mit Wut, Mangel an Verständnis und Traurigkeit zurücklässt. Aber die Entfremdung von diesem weit entfernten Konflikt sowie das Fehlen von direkter Betroffenheit führen dazu, dass viele von uns diese Themen nach kurzer Zeit wieder aus dem Kopf verlieren. Es ist nicht so, dass wir keine Empathie haben, aber es ist schwierig, eine langfristige Verbindung zu etwas zu entwickeln, das so fern und komplex erscheint. Wir sprechen darüber, aber das Handeln bleibt oft aus, weil uns der direkte Zugang und die Möglichkeit fehlen, wirklich etwas zu verändern.

Ein weiteres Thema, das uns immer wieder beschäftigt, ist die sogenannte Fast Fashion, also die fast ausschließlich auf Gewinnmaximierung und kostengünstige Massenproduktion ausgerichtete Modeindustrie. Wir wissen, dass sie katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt hat, dass billige Arbeitskräfte in Entwicklungsländern unter miserablen Bedingungen arbeiten und dass diese Art von Konsumverhalten die Umwelt mit riesigen Mengen an Abfall belastet. Doch trotzdem kaufen wir weiterhin billig produzierte Kleidung, die schnell ihren Glanz verliert und oft auf den Müll wandert oder auch neue stylische Kleidung, die wir nicht benötigen. Warum? Weil es bequem ist, weil die Modeindustrie uns ständig mit neuen Trends bombardiert und uns das Gefühl gibt, dass wir mit den neuesten Styles mithalten müssen, um gesellschaftlich anerkannt zu werden. Es ist so einfach, den Verlockungen des schnellen Konsums zu erliegen, und obwohl wir das Problem kennen, fällt es uns schwer, wirklich aktiv zu werden. In vielen Fällen schieben wir die Verantwortung einfach auf andere ab, wie die Marken, die Politik oder „die Welt“, anstatt zu reflektieren, wie wir selbst unser Verhalten ändern könnten.

Ein weiterer Aspekt ist, dass wir oft das Gefühl haben, dass das, was wir tun könnten, im Vergleich zu den enormen Ausmaßen der Probleme wenig bewirken würde. Was ist schon der Einfluss einer einzelnen Person auf die mächtige Modeindustrie? Was kann eine einzelne Stimme im Kampf für Frauenrechte gegen die riesigen politischen und kulturellen Strukturen ausrichten, die die Unterdrückung von Frauen fördert? Solche Gedanken führen oft dazu, dass wir uns hilflos fühlen und die Verantwortung abgeben, weil wir uns überfordert fühlen oder glauben, dass unser Handeln ohnehin keine echte Veränderung bewirken kann.

Trotz dieser Herausforderungen müssen wir uns jedoch eingestehen, dass das bloße Reden über diese Themen keinen Unterschied macht, wenn wir nicht bereit sind, zu handeln. Das Bewusstsein für ein Problem zu haben, ist der erste Schritt, aber der zweite Schritt ist entscheidend: Handeln. Und hier liegt das eigentliche Problem. Es ist oft viel einfacher, sich mit Gesprächen zu begnügen und zu sagen: „Ich weiß, dass es ein Problem gibt“, als sich wirklich die Mühe zu machen, diese Probleme in unserem eigenen Leben oder in unserer eigenen Umgebung zu bekämpfen.

Ein weiteres Hindernis ist, dass wir als Gesellschaft in einer Kultur des passiven Konsums leben. Wir sind es gewohnt, über die Probleme in der Welt informiert zu werden, sei es durch die Nachrichten, soziale Medien oder Gespräche mit Freund*innen. Aber die meisten von uns tun danach nichts weiter, außer sich weiter in der bequemen Blase des Konsums zu verkriechen. Wir konsumieren Informationen wie Produkte, aber die kritische Reflexion darüber, was diese Themen für uns persönlich bedeuten und wie wir konkret zur Veränderung beitragen können, bleibt oft auf der Strecke.

Es ist auch zu bedenken, dass wir uns als Einzelne in einem System bewegen, das uns immer wieder dazu verleitet, passiv zu bleiben. Die politische und wirtschaftliche Struktur, die viele dieser Probleme erst ermöglicht, ist gewaltig und scheint unüberwindbar. Das Gefühl der Machtlosigkeit, das daraus entsteht, kann lähmend sein. Aber die Veränderung beginnt oft bei uns selbst – bei den kleinen Entscheidungen, die wir im Alltag treffen. Was wir kaufen, wie wir konsumieren, wie wir uns über diese Themen informieren und welche Stimme wir denjenigen geben, die für Veränderung kämpfen. Die Entscheidung, nicht einfach weiterzumachen, als wäre alles in Ordnung, sondern aktiv zu handeln. Das ist der Schritt, den wir gehen müssen, um die Welt ein Stück besser zu machen.

Das Gespräch über diese Themen ist wichtig, aber es ist nur der erste Schritt. Es erfordert Mut und Verantwortung, die nächste Stufe zu erreichen und tatsächlich zu handeln. Es geht darum, die Bequemlichkeit des „Ich habe es gesagt, also habe ich meinen Teil getan“ zu überwinden und zu erkennen, dass Veränderung Zeit, Energie und manchmal auch Entbehrung erfordert. Die Verantwortung liegt bei uns allen. Wenn wir uns mit diesen Problemen wirklich auseinandersetzen wollen, müssen wir sie nicht nur ansprechen, sondern auch unseren Beitrag leisten, damit sie nicht nur auf der Ebene der Gespräche bleiben.

Wie Joker sagen würde ,,Society failed“.

 

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