Es ist schon wieder passiert: Wie es Blizzard bereits am Beispiel von Overwatch tat, kündigte nun auch Entwickler Riot Games an, einen LGBT-Charakter in ihr Spiel LoL einzubauen. Was im 21. Jahrhundert bei vielen nur ein Achselzucken hervorruft, löst bei anderen wiederum eine Debatte aus. Doch warum regt ein solch kleines Detail so viele auf?
Ein neuer Held wird bald in League of Legends vorgestellt. Soweit ist das nichts Unübliches, doch wird dieser homo- oder transsexuell sein. Die Reaktionen auf diese Ankündigung waren allerdings durchmischt. Der Spieleentwickler Riot musste sich recht schnell vorwerfen lassen, den Charakter so zu designen, um möglichst liberal zu wirken. Ein ähnlicher Vorfall ist dem Entwickler Blizzard in seinem Heldenshooter Overwatch passiert. Während der Weihnachtszeit 2016 veröffentlichte das Blizzard-Team einen neuen Comic, welcher den Spielern mehr über das Leben der verschiedenen Helden erzählen sollte. Dabei wurde eine bis dahin unbekannte Seite der Coverheldin Tracer vorgestellt: So ist die quirlige Britin nicht mit einem Mann, sondern einer Frau zusammen. Schnell wurde dem Entwickler von Fans, ähnlich wie Riot Games, gekünstelte Offenheit vorgeworfen. Eine besonders beliebte Vermutung: Tracer war zu Beginn der Entwicklung nicht lesbisch gedacht, sondern wurde nur aus PR-Gründen angepasst. Aber ist es wirklich so einfach?
Um die Frage zu beantworten, sollte man zunächst betrachten, was für eine Wirkung und Macht Digital Games besitzen. Über die letzten Jahre etablierten sich die Digital Games in den Alltag. Zwar lässt sich darüber streiten, ob Games ein Teil der Hochkultur sind. Ein alltägliches Gut, welches mehrere Millionen Menschen konsumieren, sind sie auf jeden Fall. Doch ist Mensch nicht gleich Mensch und „normal“ ein Begriff des Blickwinkels. Mit dem immer größer werdenden Publikum, aber auch den immer größeren Entwicklerstudios, scheint die Darstellung von Vielfalt stärker in den Fokus zu rücken.
Und hier entsteht der Knackpunkt, welcher sich weit über Games erstreckt. Während viele Konsument/innen davon ausgehen, dass die Charaktere oder Serienheld/innen „automatisch“ heterosexuell sind, vergessen viele, dass dies nur einen Teil der Gesellschaft widerspiegelt. Wenn Entwickler einen LGBT-Charakter einführen, wird also nicht das LGBT-Sein propagiert, sondern nur eine weitere Facette unserer Gesellschaft dargestellt. Das Medium wandelt sich also von einer einseitigen Betrachtung zu einer offeneren. Blizzards Lead Writer Michael Chu gab zu dem Thema folgendes Statement:
„Like we said, it’s very important for us to have diversity and inclusiveness of all types, and that includes LGBT characters.“
Diesen Wandel von Darstellung der „realen“ bunten Gesellschaft durchlebt allerdings nicht nur das Medium Games alleine, sondern auch der Film oder im alltäglichen Kontext die Werbung. Was vor ein paar Jahren noch unüblich war, ist heute normal. Ein queeres Paar kann heute, zumindest in Westeuropa, genauso Werbung für ein IKEA-Regal machen wie ein heterosexuelles. Durch diese einfache Repräsentation wird dem Konsumenten nichts propagiert, da das Sichtbar-Machen und nicht das „Umpolen“ Ziel der Repräsentation ist.
Wenn bis zu 10 Prozent der Weltbevölkerung sich als nicht heterosexuell betrachten und Medien wie Games diese ignorieren, wird nicht nur eine kleine Randgruppe, sondern mehrere Millionen Menschen nicht betrachtet. Es geht Entwicklern also nicht um eine gute PR oder eine besonders liberale Haltung, sondern vielmehr um die Repräsentation von möglichst vielen Facetten unserer Gesellschaft.
Mehr über das Interview könnt ihr hier auf Englisch nachlesen.
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Schöner Artikel!
Anzumerken ist, das dem Digital Games PR-Bereich – anders als noch vor einigen Jahren – immer bewusster wird, das eine Implementierung von LGBT-Figuren sich in der Tat positiv bei der Vermarktung auswirkt und keinesfalls ’nicht genug Umsatz einbringt, da der Mainstream nicht angesprochen wird‘. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, das Entwickler LGBT-Figuren nur ‚for the sake of having a LGBT-character‘ einfügen und die Community um diese herum nur supporten um – wie du bereits erwähntest – ein besseres Bild von sich zu schaffen und nach außen hin ‚liberaler‘ zu erscheinen – was man dann wahrscheinlich als neoliberalistisch bezeichnen würde. Eine Darstellung von schlechten LGBT-Figuren ist meiner Meinung nach nämlich genauso schlecht wie keine LGBT-Figuren vorzufinden, da – besonders wenn diese stereotypisch dargestellt sind – keine guten Identifikationsfiguren für Spieler darstellen.
Hey Marcel,
auch Dir vielen Dank für Dein Feedback.
Dein Kommentar ist natürlich berechtigt! So scheinen beide „Seiten“ davon zu profitieren, wenn man sich für Vielfalt einsetzt. Allein das ist meiner Meinung nach ein sehr gutes Zeichen.
Wichtig ist, wie du erwähnst, dass ein Charakter nicht mithilfe von Klischees überspitzt dargestellt wird. So droht nämlich die Gefahr, dass der Charakter in einen Sterotypen verfällt und damit nicht mehr „ernstgenommen wird“.
Das ist auch ein Aspekt den ich aufführen wollte, LGBT* ist ein Teil unserer Gesellschaft und definiert keine Person, sondern ist nur ein Teil von ihr. Keine Person besteht nur aus Klischees und dementsprechend sollte ein Charakter bunt, aber nicht klischeebeladen dargestellt werden.
Ein schöner Artikel, vielen Dank dafür! Ich würde nur in einem Punkt widersprechen: PR ist gerade bei den großen Studios immer ein Kriterium, wenn auch nicht das alleinige. Ich gehe also klar davon aus, dass auch marktstrategische Erwägungen hinter der zunehmenden Vielfalt in der Charakterdarstellung stecken. Das zeigt sich nicht zuletzt dadurch, dass die Entwickler_innen und Publisher, denen Diversität laut eigener Aussage so wichtig ist, diese erst jetzt langsam in das Medium einbringen. Als noch keine große Gruppe von Spieler_innen kontinuierlich um Repräsentation bat, rührte sich auch in der Industrie nichts.
Aber ob nun PR oder nicht: Dass Spielfiguren diverser werden, ist auf jeden Fall eine tolle Entwicklung.
Hallo Nina,
vielen Dank für Dein Feedback!
Ich kann Deinen Einwurf verstehen, dass ein Entwickler, der mit Diversität wirbt und LGBT* Charaktere erst später einfügt, vielleicht PR-strategisch handelt. Dazu gleich zwei Meinungen von mir:
Zum einen muss man auch bedenken, dass sich die Hintergrundgeschichte gewisser Charaktere weiter entwickelt und solche Details erst im Nachhinein veröffentlicht werden. Ich glaube, Blizzard hätte auch Kritik bekommen, wenn sie einen LGBT* Charakter vorstellen und sofort diese Eigenschaft hervorheben. Schnell könnte auch in diesem Fall der PR-Vorwurf aufkommen. Nicht desto trotz werden bestimmt manche Firmen darauf achten, mit Charakteren im Bereich der Diversität PR zu betreiben.
Zum anderen, für sollte es der PR zugute kommen , nutzt diese Repräsentation der Wahrnehmung von LGBT*.
Abschließend können wir aber festhalten, dass wir einer Meinung sind, das diverse Spielfiguren eine Bereicherung für Digital Games sind.