Gaming Booster – Doping für junge Zocker?

Gamingbooster

Eine Runde geht noch vorm Schlafen gehen, save. Auch wenn die Müdigkeit langsam kommt und die Konzentration nachlässt – ein Match ist definitiv noch drin…

Generische elektronische Musik.

„Aber Haaaaalt! Mit Puderbooster4000 kannst du noch die ganze Nacht konzentriert durchmachen!!!“

Eine übertrieben motivierte, laute Stimme schreit dich an, die Kamera wobbelt hektisch hin und her.

„Einfach 2 Scoops unseres besonderen, geheimen Zuckerersatzpuders mit Koffein in Wasser auflösen, trinken und 3 Stunden jedes 1v1 gewinnen!!!1!“

Selbst die übertriebene RGB-Beleuchtung an deinem High-End-Rechner bekommt dabei rote Augen – WOOOW mit Puderbooster4000 bist du viel besser und hast mehr Performance – genau wie mit Skins!

„Jetzt in der neuen Geschmacksrichtung Cola-Flasche Panna Cotta Jägermeister (vielleicht alkoholfrei und vielleicht schädlich für: Schwangere, Igel, Teppichböden, Kinder, Spülmaschinen!!!!!)“

Man sieht ein übertrieben beleuchtetes Gamingzimmer mit mehr RGB als eine asiatische Arcade-Halle. Ein junger Mann sitzt vor einem Bildschirm, auf dem offensichtlich ein YouTube Video läuft, weil am unteren Bildschirmrand die Videoleiste kurz zu sehen ist und die Tastatur gar nicht angeschlossen ist. Er klickert wild umher und sitzt viel zu nah und gebeugt am Tisch

 

So oder so ähnlich könnte eine Werbung eines von vielen in den letzten Monaten und Jahren aus dem Boden geschossenen „Gaming- /Performance-Boostern“ aussehen. Mit Absicht etwas überzogen, versteht sich.

Bringen diese Produkte etwas und sind sie sogar ungesund, besonders für Jugendliche? Wieso ist das Marketing teilweise so präsent und wer produziert die Produkte? Diese Frage habe ich mir gestellt und mich mit ein paar dieser Produkte befasst. Ich möchte mit diesem Artikel eine persönliche Beurteilung sowie von einigen Testern vergebene Meinungen darstellen. Vielleicht unterstützt dieser Artikel die ein oder anderen Uneinigen, Elternteile oder Zockerkumpel bei der Entscheidung, ob man sich diese Produkte kaufen sollte und wie man sie konsumiert.

 

Was sind Gaming Booster?

Gaming Booster sind eine Adaption der „Pre-Workout Booster“ aus der Sportindustrie. Ein Pulver, welches man mit Wasser anmischt und dann trinkt. Viel Koffein, Kleinstbestanteile von Mineralstoffen und Pflanzenteilen, Taurin, künstliche Vitamine, natürliche oder künstliche Aromen und für den Geschmack viel Süßstoff oder Zucker. Die Produkte sollen Leistungsfähigkeit und Konzentration fördern.

Eine Dose Holy Energy

Dass zu viel Zucker ungesund ist, ist bekannt. Und wie bei allen süßen Produkten isst man diese natürlich nicht, weil man denkt, dass sie gesund sind, sondern weil sie schmecken! Mit Süßstoffen wie Sucralose oder Aspartam kann man Kalorien und Karies des Zuckers umgehen. Ob diese schädlich für den Körper sind, ist umstritten – aber was ganz klar ist, sie wirken sich definitiv nicht positiv auf den Körper aus und haben keinerlei Wert für den Körper, da dieser die Stoffe nicht verwerten kann.

Als leistungssteigernder Stoff ist lediglich das Koffein bestätigt – es hält wach und steigert die Dauer von Konzentrationshochphasen. Laut Hersteller kann diese Wirkweise durch eine Kombination von verschiedenen Koffeinen aus z.B. Guarana oder Tee sogar noch weiter erhöht werden. Bestätigt ist aber auch, dass erhöhter Koffeinkonsum Schlaflosigkeit, Schweißausbrüche und Herzrasen verursachen kann. Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist die Dosierung oft schwierig.

Die Dosierung der Booster richtet sich an die höchst zugelassenen Werte an Koffein pro Portion für einen Erwachsenen von 66kg. Ob für einen Jugendlichen von 15 Jahren mit einem Gewicht von 55kg diese Menge auch gefahrlos ist, ist fraglich, zumal der Booster eigenständig angemischt wird. Abgesehen davon gibt es noch andere synthetische oder natürliche Pflanzenstoffe, die in gewisser Dosierung vereinzelt einen positiven Effekt auf den Körper haben können, häufig aber nur, wenn sie über einen langen Zeitraum dauerhaft konsumiert werden und das in einer viel höheren Konzentration. Zugesetzte Vitamine sind nur dann hilfreich, wenn ein Mangel besteht. Für die Leistungssteigerung können sie nach direkter Einnahme eines Boosters überhaupt nichts tun. Sie wirken höchstens auf lange Sicht und für einen gesünderen Körper. Ob eine präventive Einnahme von Vitaminen hilfreich ist, ist umstritten.

Gaming Booster sind also ganz klar (auch lebensmittelrechtlich) „Nahrungsergänzungsmittel“ und die oben genannten Risiken der teilweise hochkonzentrierten (oder auch sehr niedrig) Inhaltsstoffe sind nun mal bewusst zu konsumieren und nicht im Übermaß.

 

Weshalb ich das problematisch finde:

Dose GamersOnly
Eine Dose von Gamersonly

Zum größten Teil sind Gaming Booster – wer hätte es gedacht – an Gamer*innen gerichtet und werden in Werbeclips oft mit bekannten Influencer*innen oder E-Sportler*innen beworben. Selbstverständlich gibt es viele erwachsene Zocker, aber ein großer Teil, besonders die, die Influencern wie Trymacs oder Montanablack folgen, sind nun mal Jugendliche oder gar Kinder. Also richtet sich diese Werbung ganz klar auch an sie. Besonders weil teilweise mit abgefahrenen Geschmacksrichtungen von „Kaugummi mit Knister-Effekt“ bis hin zu Fantasy Geschmäcken wie „Galaxy“ (ein Beerengeschmack mit Glitzereffekt) geworben wird.

Ein hippes Produkt, das so scheint, als könnte es dich besser machen, cool aussieht und sogar von deinem Vorbild getrunken wird. Leider wird dabei nie über das Risiko des übermäßigen Konsums gesprochen und kein Jugendlicher aufgeklärt, dass die Angaben zur Dosierung ggf. gar nicht für sie geeignet sind und sie krankmachen können. Die Produkte werden als gesund und wertvoll verkauft, obwohl diese Annahme im Vergleich zu ähnlichen Produkten wie Tee nicht stimmt.

„Null Gramm Zucker im fertigen Getränk.“ Diese Aussage stimmt nur lebensmittelrechtlich, denn eigentlich ist trotzdem Zucker im Getränk, jedoch im angegebenen Mischverhältnis relativ gering, weshalb es als zuckerfrei gilt. Außerdem werden auf der Zutatenliste häufig andere Zucker wie Dextrose oder Maltodextrin angegeben, eine Art Zucker ist es trotzdem. Ich sehe die Influencer*innen in der Pflicht, ihre Fans aufzuklären und über die Risiken zu informieren.

 

Meine eigenen Testergebnisse:

Marken gibt es sehr viele. Ich habe mich für folgende Marken, die Produkten aus dem Gaming Booster-Segment anbieten, entschieden. Alle bieten ähnliche Standardgeschmacksrichtungen wie „Zitrone“ an, jedoch gibt es fast immer besondere individuelle Kombinationen. Anzumerken ist auch, dass es häufig auch ein koffeinfreies, oft als „Vitamindrink“ beworbenes, Produkt gibt.

Eine Dose LevlUp Sorte Shiny Fox
  • HolyEnergy
  • Nuguso
  • Triebwerk
  • GamersOnly
  • LevlUp
  • Gaminate

Ein Löffelchen ins Wasser, gut schütteln und das erfrischende Getränk geschlürft. Keines der Produkte hat mich anfangs wirklich überzeugt. Die angegebenen Mischverhältnisse erzeugen ein viel zu süßes, intensives, künstlich schmeckendes Getränk. Ich fühlte mich wacher, aber mehr auch nicht. Das Koffein wirkte! Besonders weil ich sonst wenig Koffein konsumiere. Ich trinke weder Kaffee noch Energydrinks, jedoch gelegentlich einen Tee.

Trotzdem: nach ein paar Schlucken wurde es immer angenehmer, beim nächsten Drink habe ich die Dosierung halbiert und musste feststellen, dass es mir deutlich besser schmeckt.

Nach einigen Monaten muss ich gestehen, mir immer wieder mal eine neue Dose mit einem neuen Geschmack gekauft zu haben und mir 1-2x pro Woche einen Drink zu mischen. Es ist die Neugierde, wilde Geschmacksrichtungen zu testen und zu kombinieren. Viele Geschmacksrichtungen schmecken wirklich lecker und besonders, es ist also für mich ein Softdrink der anderen Art.

Fertiger Tee in Tetrapacks von OchaOcha

Nun stelle ich mir selbst aber die kritische Frage: Brauche ich diese Produkte? Zuvor habe ich keine Energydrinks getrunken, auch beim Zocken nicht. Ich bemerke keine gesteigerte Leistung und geschmacklich gibt es weniger künstliche, weitaus leckerere Getränke. Außerdem glaube ich, dass es oftmals einfach eine teurere Brausetablette in Pulverform ist. Eine Dose Gaming Booster kostet im Durschnitt 1€ pro Drink. Schaut man sich die Inhaltsstoffe einer klassischen Brausetablette aus dem Supermarkt an, bemerkt man abgesehen vom Koffein kaum Unterschiede. Ein qualitativ hochwertiger Tee oder Kaffee hat denselben Effekt und kann abgekühlt genauso erfrischend getrunken werden. Etwas Zitronensaft, Eiswürfel in den Tee oder einen fruchtigen Eiskaffee/Coldbrew mit Eiswürfeln. Ich glaube, dass Gaming Booster eine Entwicklung der Industrie sind, weil es in dem Bereich noch nichts gab. Eine weitere Pseudo-Leistungssteigerung ähnlich wie Gamingstühle und RGB-Beleuchtung, um besonders junge Gamer*innen mit teuren Pülverchen abzufarmen.

 

Meinung von meinem Kollegen Christian:

Durch das aggressive Marketing, die hippen Sprüche und die übertriebenen Farben und verrückten Geschmäcker versuchen viele Booster-Marken, wie LvlUp oder Loot, ihre Produkte an Jüngere zu verkaufen. Das Problem sind vor allem die Inhaltsstoffe oder das Koffein, was sie selber dosieren können. Da auf Dauer eine schwächere Wirkung des Koffeins erzeugt wird, muss der Konsum erhöht werden. Das weitere Problem sind die Influencer*innen, die das bewerben und selber bewusst überdosieren, wie zum Beispiel MckyTv. Das größte Problem ist die Wirkung und der sehr teure Preis gegenüber herkömmlichen Energy Drinks, welche man beim Discounter für 25ct bekommt und dieselbe Wirkung haben. Insgesamt sind Gaming Booster bei zu hoher Dosis ungesund und sehr teuer.

 

Könnten Gaming Booster für Energy-Trinker eine Alternative bieten?

Für Christian sind Gaming Booster zu teuer für das, was sie ihm bieten. Ich habe weitere Freunde und Kollegen mit diversen Produkten dieser Art versorgt, mit der Bitte, mir einfach eine kleine Rückmeldung dazu zu geben. Alle haben entweder bereits solche Produkte probiert oder haben zumindest schon mal davon gehört. Es gab keine besonderen Kriterien zur Rückmeldung und trotzdem haben sich einige Muster gezeigt. Diese Stelle ich im Folgenden dar:

Insgesamt kam der Geschmack eher mager an. Die meisten der Tester fanden ihn entweder zu süß oder zu künstlich. Die regulären Geschmacksrichtungen kamen besser an als die abgefahrenen Sorten. Ob mit oder ohne Koffein, eine Leistungssteigerung abgesehen von der Wachheit hat niemand rückgemeldet. Diejenigen, die gerne mal einen üblichen Energydrink trinken haben bemängelt, dass die prickelnde Kohlensäure fehlt. Die Booster könnten mit Sprudelwasser angerührt werden, jedoch entflieht beim Schütteln ein Großteil des CO2 und der Geschmack wird verändert.

Als Alternative hat sich Kaffee oder Tee sogar ähnlich wirksam gezeigt. Getestet wurden auch fertige Tee/Kaffee-Trinkpäckchen, die dieselbe leistungssteigernde Wirkung erzeugt haben und teilweise sogar günstiger sind. Grüner Tee zum Beispiel hat bestätigte, gesunde Wirkstoffe für den Körper.

 

Fazit:

Aggressives Marketing und verrückte Geschmacksrichtungen, die auch ganz gut schmecken können, Gaming Booster sind ein Lifestyle-Produkt mit einer Wirkung, die nichts Revolutionäres hat. Häufig mit Marketing für eine ungeeignete Zielgruppe und Wirkungsversprechen, die wie Wunderprodukte scheinen. Ich kann verstehen, weshalb jemand gerne solche Getränke trinkt, ich selbst mag den Geschmack der süßen Getränke, habe das Produkt an meine Geschmackswünsche angepasst und glaube, dass ist einer der wenigen Vorteile davon. Es gibt jedoch auch genug, günstigere und bestätigt gesündere Produkte, die weniger möglicherweise gefährliche Stoffe enthalten und keine „Überdosis“ hervorrufen.

Christian und ich empfehlen Gaming Booster nur, wenn diese günstig erhältlich sind. Probiert, ob es euch schmeckt, erwartet aber keine bessere Performance! Eine ehrlichere Vermarktung wäre ein Wunsch von uns beiden.

 

Quellen:

 

Maximilian Wettig
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