Hulk hat mein Auto demoliert.. und jetzt?

Was passiert, wenn NPCs ihr langweiliges Leben als einfache Menschen in einem Videospiel satt haben? Sie gründen eine Selbsthilfegruppe! Dort treffen sich Charaktere, die genug von ihren endlosen Wiederholungen haben und nach mehr suchen. Sie wollen nicht mehr nur alles über sich ergehen lassen – sie wollen wissen, was das wirkliche Leben bedeutet – oder einfach nur über ihre Probleme reden.

Das Rollenspiel der NPC-Selbsthilfegruppe habe ich erstmals 2017 beim Gamescamp in Remscheid kennengelernt. Seitdem habe ich mich in dieses Spiel verliebt, das so absurd und doch so grandios ist. Es handelt sich hierbei aber nicht um ein Videospiel selber; vielmehr treffen sich mehrere Personen in einem Sitzkreis und die Gruppenleitung nimmt nach und nach Personen dran, die in der Rolle eines NPCs aus einem beliebigen Franchise über ihre Probleme berichten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es mehr als genug gäbe, worüber die NPC’s zu berichten hätten, wenn sie könnten. Oder glaubt ihr, dass Prinzessin Peach sich jedes Mal freut, wenn sie von einer Riesenschildkröte entführt wird, die aber eigentlich doch nur einsam ist? Wer weiß, vielleicht verlieben sich die Prinzessin und Bowser doch noch ineinander!

Man stelle sich vor, man könnte einmal in seinem Leben einen Passanten aus Grand Theft Auto V (GTA5, USK 18) fragen, was er eigentlich davon hält, dass ständig irgendjemand in der Stadt Autos klaut, Läden ausraubt oder sonstigen Unfug treibt. Oder man fragt einen Taxifahrer und der sagt nur:

„Jeden Tag fahre ich diese Leute durch die Straßen von Los Santos. Manche lassen viel Geld da und das ist auch schön, aber keiner sagt: ‚Hey, wie geht’s? Wie war dein Tag? Ich werde ständig gedrängt, schneller zu fahren und gegen die Straßenverkehrsordnung zu verstoßen.“

How do I find the taxi driver guy in gta v director mode? : r/GTA

Jeder kennt ihn, den Schiedsrichter, der bei jedem Spiel nur seinen Job macht. Er pfeift das Spiel, sorgt für Ordnung – aber wehe, er trifft eine schwierige Entscheidung, die uns Spielenden nicht passt. Dann wird er sofort zur Zielscheibe. Beleidigungen von A bis Z, abrupte Spielunterbrechungen – alles ist dabei. Wenn aber alles glatt läuft, bekommt niemand mit, dass er da ist. Kein Lob, keine Anerkennung.

Oder aber Resetti, der aufgebrachte Maulwurf, der uns eine Standpauke hält, wenn wir vergessen, das Spiel zu speichern. Aber was ist mit ihm? Er lebt in diesem endlosen Kreislauf der Wiederholung, immer bereit zu schimpfen, zu drohen, zu ermahnen. Muss es wirklich immer so sein? Wie fühlt es sich an, immer wieder der „Spielverderber“ zu sein, der aus dem Nichts auftaucht, um seinem Ärger freien Lauf zu lassen? Und vor allem: Was passiert, wenn er nicht auf jemanden trifft, der einen Fehler gemacht hat? Hat er dann überhaupt etwas anderes zu tun, als zu schimpfen? Vielleicht träumt Resetti insgeheim von einem Leben, in dem er nicht immer derjenige ist, der die anderen zurechtweisen muss. Aber wenn die Spielenden nicht speichern, ist er wieder da – und alles beginnt von vorne. Vielleicht meint er es nicht so, wie es scheint, aber seine Verbitterung über die sich ständig wiederholende, ermüdende Arbeit lässt ihn vor Wut kochen.

Animal Crossing: The Lore Behind Mr. Resetti

Wenn ihr das Spiel selbst einmal spielen wollt, ist die Anleitung ganz einfach: Man schreibt verschiedene NPCs auf Zettel und verteilt sie an die Teilnehmer*innen. Am besten wählt man welche, die man kennt oder sich vorstellen kann und versetzt sich einfach mal in die Lage der zugewiesenen Charaktere. Vielleicht gibt euch das ja mal einen ganz neuen Blick, bevor man bewusst versucht, den Schiedsrichter oder einen Passanten zu nerven.

Wie auch immer, ich finde das Konzept und die Idee einer NPC-Selbsthilfegruppe ziemlich lustig. Es ist eine unkomplizierte satirische Reflexion des eigenen Verhaltens in Videospielen und macht verdammt viel Spaß.

Aras