Dieser Stand ist für alle freigegeben

Die USK prüft Spiele und gibt sie für manche frei – ein Hauptkriterium: Gewalt. Zum Stand der Bundeswehr auf der gamescom kann jeder. Ein Fall für die Jugendschützer_innen?

Das USK-Siegel kennzeichnet, ab welchem Alter ein Spiel für Kinder und Jugendliche freigegeben ist. Zentral ist dabei, welche Botschaften vermittelt werden. „Wird Gewalt als alleinige Konfliktlösung oder Krieg als Abenteuer gezeigt, gibt es keine Jugendfreigabe“, erklären Uwe Engelhard und Lidia Grashof von der Obersten Landesjugendschutzbehörde (OLJB).

30 Meter weiter steht ein Militärfahrzeug der Klasse „geschützte Radfahrzeuge“. Der Dingo der Bundeswehr schützt Insassen beim Auffahren auf Minen mit einer Nettosprengmasse von 7,5 Kg TNT. Für die Besichtigung dieses monströsen Fahrzeugs gibt es keine Altersbeschränkung. Ich frage mich, wie das zusammenpasst und wage ein Experiment: Vergeben die Vertreter_innen der USK ein Siegel für die Bundeswehr?

Was die Bundeswehr auf der gamescom macht

Also laufe ich mit Grashof und Engelhard los. Über das Cosplayer‘s Village laufen wir zum Stand der Bundeswehr. Standleiterin Regierungsamtfrau Janine Dreger begrüßt uns mit festem Händedruck. Die Situation ist den Dreien sichtlich unangenehm. Der USK-Stempel kennzeichne schließlich nur Computer- und Videospiele und die Bundeswehr mache nun mal keine Werbung für Spiele, erklärt Engelhard. Regierungsamtfrau Dreger ergänzt, dass man keine Verbindung zu Spielen herstellen wolle. Man informiere vielmehr individuell über Berufslaufbahnen bei der Marine, beim Heer oder bei der Luftwaffe.

Tatsächlich umfasst der Stand neben dem Dingo auch einen Schleudersitz, eine Schaufensterpuppe in Pilotenuniform mit Luftmaske, ein Motorrad der Feldjäger, eine Sanitätsausrüstung und Marinesoldat_innen, die Knoten lehren.

Beim Bund geht‘s rund um Menschenleben

Ich frage nach, immerhin sind wir auf der gamescom. Vermittelt der Stand insgesamt nicht schon deshalb die Botschaft, der Dienst beim Bund sei ein großes Abenteuer? Dreger widerspricht: „Die Bundeswehr ist kein Abenteuer, es geht hier um menschliche Leben, echte Menschenleben.“ Vor meinem inneren Auge sehe ich die Werbevideos fürs „Adventure Camp“ der Bundeswehr auf der Webseite der Bravo, Jugendliche fahren dort wahlweise Bananenboot oder klettern in den Bergen. Ich zitiere zur Freigabe ab 18 Jahren aus der Broschüre der USK: „Spielangebot und -umsetzung verlangen einen Grad an sozialer Reife und Distanz, der bei 16- bis 17-Jährigen nicht generell vorausgesetzt werden kann.“ Im Vorgespräch erzählt Engelhard, dass auch die Langzeitwirkungen von Spielen berücksichtigt werden müssen. „Es zählt, welche Einstellungen Kinder in the long run aus Spielen mitnehmen.“

Wäre es da nicht sinnvoll, den Stand der Bundeswehr erst ab 17 Jahren zu öffnen? Ab dem Alter kann man sich verpflichten. „Dann müsste ich den Stand ja abschließen können und Alterskontrollen machen“, wendet Regierungsamtfrau Dreger ein. „Das kann ich gar nicht.“ Engelhard entgegnet, dass USK +18 Spielestände dies auch schaffen. „Aber ich zeige hier nichts, was verboten ist“, sagt Dreger. Lidia Grashof springt ihr bei: „Kinder haben immer schon mit Kriegsspielzeug gespielt. An Zinnsoldaten ist auch keine Altersfreigabe. Ab zwölf Jahren können Kinder den Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit erkennen.“ Trotzdem seien Computerspiele mit dem Thema Krieg für diese Altersgruppe nicht ohne Beeinträchtigung.

Mit dem Joystick zielen und feuern

Ich muss zugeben, dass es einen Unterschied macht, ob man vom Schreibtischstuhl aus auf Pixel schießt, oder ob man eine Berufslaufbahn beim Bund einschlägt. Ich schlage vor, noch gemeinsam in den Dingo zu gehen. Leutnant Schneider öffnet uns die Türen, hilft Dreger beim Einsteigen und öffnet die Dachluke. Der Duft eines Neuwagens strömt mir in die Nase. Wir nehmen auf Sportsitzen Platz. Ob durch die Dachluke die Kameraden mit dem MG rausgucken und schießen? „Hier geht zum Schießen keiner mehr raus. Ins Gehäuse kommt ein Bildschirm, daneben ein Joystick. Die Dachluke bleibt geschlossen“, erklärt Leutnant Schneider. Das Ausstellungsstück ist jedoch abgerüstet. Mit Waffensystem passte es nicht mehr in die Halle. Sonst hätten wir mit dem Joystick die Kamera auf dem Autodach steuern können.

Jugendschutz? Nicht vor Kriegsgeräten.

Für mich ist klar: hier gibt es keinen Unterschied mehr in der Steuerung von Kriegsspielen und echten Kriegsgeräten. Deswegen wünschte ich mir eine Altersbeschränkung für diesen Stand. „Computerspiele müssen nach dem Jugendschutzgesetz freigegeben werden, für echtes Kriegsgerät sind wir nicht zuständig“, sagt Engelhard. Und er hat ja auch recht: Einsätze der Bundeswehr – egal ob zivil oder nicht – sind keine Spiele. Und somit können Grashof und Engelhard auch kein USK-Kennzeichen vergeben.

 Artikel von Sebastian Stachorra, verfasst im Rahmen der Jugendredaktion auf dem Jugendforum NRW 2014

Foto oben: Hartmut Gieselmann via heise.de