Jugend hackt – Mit Code die Welt verbessern

Vom 16.10.-18.10. war die Abschlussveranstaltung von Jugend hackt im Jugendhaus Köngisstadt in Berlin. Hinter dem Projekt verbirgt sich ein Hackathon für Jugendliche. Das ganze wurde von der Open Knowledge Foundation in Zusammenarbeit mit mediale pfade organisiert. Das Ziel des Hackathons war es, mit Code die Welt zu verbessern und Jugendlichen ein Gefühl für Ethik im Umgang mit Code zu vermitteln. Der nette Nebeneffekt war, dass sowohl Jugendliche als auch die Mentoren ein schönes Wochenende mit gleichgesinnten zwischen Pizza, Mate und Laptops verbringen konnten. Ich hab an der Veranstaltung teilgenommen und hier ist mein persönlicher Erfahrungsbericht.

Freitag/Tag 1: Hello World

Der Tag beginnt früh. Zu früh. Eines steht fest, heute geht es nach Berlin zu Jugend hackt. Aber was braucht man denn so für ein Wochenende als Programmierer? Die E-Mail der Organisatoren sagt Mehrfachstecker und Spaß. Ok. Hektisch alles zusammenpacken und auf geht es.

Mit voranschreitender Uhrzeit steigen sowohl Vorfreude als auch Nervosität. Was erwartet mich? Reichen meine technischen Fähigkeiten aus? Was sind das für Leute die, wie ich, aus ganz Deutschland für ein Wochenende Jugend hackt nach Berlin kommen? Zu spät für Fragen, denk ich mir als ich schließlich im Jugendhaus Königsberg stehe. Die Wände der kleinen Halle wurden nett mit pixligen Jugend hackt-Logos geschmückt und die ersten Teilnehmer sitzen schon begeistert vor leuchtenden Bildschirmen oder bewundern das große Mate-Light in der Ecke. Ich werde direkt freundlich von den Mentoren vor Ort begrüßt und bekomme einen Laptop für das Wochenende. Nun komplett ausgestattet kommt man auch direkt mit anderen ins Gespräch. Der ganz normale Small-Talk halt: Welche Programmiersprachen kannst du? Was machst du so für Projekte?

Das Programm beginnt Freitags mit einer kleinen Einführung, in welcher Jugend hackt und die Ziele der Veranstaltung vorgestellt werden. Mit Code die Welt verbessern ist hierbei der zentrale Satz. Aber wie soll ich das bitte machen, denk ich mir und suche vergeblich nach anderen fragenden Gesichtern. Vergebens. In den anschließenden Themen-Gruppen kann man sich schon erste Gedanken darüber machen, an welcher Software, Website oder Hardware man am Wochenende mitarbeitet. Die Gruppen sind nach Themen sortiert und beschäftigen sich mit z.B. Datenschutz oder Gesundheit. In den Gruppen werden dann Ideen und Projektvorschläge zu dem jeweiligen Themengebiet diskutiert und konkretisiert. Ich entscheide mich für den Themenschwerpunkt des diesjährigen Hackathons: Anti-Rassismus/Refugees welcome. Zum Glück sind nicht alle so planlos wie ich in das Thema hineingestolpert, sondern es gibt auch Jugendliche, die schon öfter bei Jugend hackt waren und so etwas Erfahrung mitbringen.  Es steht sogar schon ein Team an Teilnehmern, welches die Plattform „Germany says Welcome“ (welche schon bei Jugend hackt West gewann) weiterentwickeln wollen und noch offen für Ideen und Mitentwickler sind. Schon nach den ersten paar Stunden bin ich von der Offenheit überrascht. Man bekommt das Gefühl, dass es egal ist, woher du kommst und wer du bist. Entscheidend ist das gemeinsame technische Interesse und die Motivation Ideen gemeinsam zu verwirklichen.

Den Abschluss des Tages brachte Hacker und Sprecher des CCC´s Frank Rieger mit einem Vortrag zum Thema „Hacker+Ethik“. Über die Folgen des Hackens und des persönlichen Handelns nachzudenken und zu reflektieren, scheint in der aktuellen Situation mit dem VW- und NSA-Skandal, wo Code zur Manipulation oder Überwachung genutzt wurde/wird, so wichtig wie noch nie.

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Frank Rieger redet über die Ethik des Hackens

Nach dem interessanten Input klingt der Abend entspannt aus. Der erste Tag Jugend hackt geht für mich zwar ohne eine einzige Zeile Code zu Ende, aber brachte mir doch einen ganz anderen Blick auf das, was bis jetzt für mich das Hacken ausmachte.

Samstag/Tag 2: Coden, Coden, Coden

Nach dem Frühstück im Hotel geht es direkt wieder zum Jugendhaus, unserem gemütlichen Hackerspace für das Wochenende. Der Tag beginnt mit der Gruppenbildung der einzelnen Projekte. Aber sich bei den ganzen Ideen zu entscheiden ist gar nicht einfach. Möchte ich jetzt ein Smartphone-Case bauen, welches Spy-Angriffe abfangen soll oder vielleicht doch ein Spiel, in dem ich den Überwachungskameras in Berlin aus dem Weg gehen muss? So viele geniale und kreative Ideen und Projekte und nichts scheint unmöglich, was die Entscheidung nicht wirklich erleichtert. Nach langem Überlegen entschied ich mich dann doch für ein Projekt. Der Plan des Projektes ist es, Musik auf mehreren Smartphones synchron abzuspielen, sodass mehrere Handys quasi zu einem mobilen Lautsprecher werden. Smarte Idee! Nur wie macht man das?

Diese Frage bleibt erstmal im Raum und es entwickelt sich ein Kreis mit 6 Jugendlichen und immer wechselnden Mentoren. Eine Stunde Diskussion, wie man den bitte möglichst synchron Sound abspielt. Ideen kommen und werden direkt wieder zerschmettert. Ich merke wie meine Aufmerksamkeit langsam nachlässt und das hypnotisierend-blinkende Mate-Light in meinen Fokus rückt. Irgendwann steht dann die Idee Synchronisation durch Sound im Raum. Sound hat eine geringe Latenz bei der Übertragung und Verarbeitung und ist daher gut geeignet. Die Diskussion schwingt nun über zu einem einheitlichen „Kann man mal ausprobieren“. Also verziehen wir uns in den Keller und los geht es!

Naja, für alle außer mich, da mein geliehener Laptop sich an diesem Wochenende anscheinend Schöneres vorstellen kann als zu funktionieren. Fleißige Mentoren versuchen das Problem zu beheben und ich versuche mich in die Ausarbeitung der Theorie des Programmes einzubringen.

Der Vormittag zieht vorüber und ich lese mich immer noch in die Entwicklung von Android Apps ein. Der Laptop lässt sich mittlerweile benutzen und ich kann erstmal die nächste Stunde Software runterladen. Zwischenstand vor dem Mittagessen: Wir haben uns für die Synchronisation durch 3 Hochfrequenz-Töne entschieden, welche ein Handy versendet. Die Empfänger-Handys erkennen die Frequenz und wissen dann, dass sie ein Lied abspielen müssen. Die iOS App kann sogar schon Töne senden und empfangen. Die Android-App existiert noch nicht einmal, da keiner von uns je zuvor eine Android-App entwickelt hat und 2 von uns 5 Leuten, die zuständig für die Verwirklichung auf Android sind, gar keine oder nur wenig Erfahrung in Java haben. Das heißt Lesen und Einarbeiten.

Nach dem Mittagessen macht der Laptop noch nicht den Anschein, als wollte er mich heute unterstützen. Also entschied ich mich kurzfristig dafür, mir die Lightning-Talks näher anzuschauen. Lightning-Talks sind kurze Vorträge, die sich passend zum Hackathon mit (für die Szene und für uns Wochenend-Hacker) relevanten Themen beschäftigen. Ich komme perfekt zum Start des Vortrages des Hackers Starbug über das Hacken von biometrischen Daten. Ob nun den Fingerabdruck von Wolfgang Schäuble herausfinden und veröffentlichen oder eine Gesichtserkennung mit einem einfachen Bild austricksen. Starbug kriegt das hin. Das ganze vermittelt er so locker und cool, dass er manche Sicherheitssoftware banal und lächerlich aussehen lässt. So als wäre es selbstverständlich, dass totale Sicherheit eine Illusion ist.

Der Vortrag hat mich schon viel zu lange gefesselt, denk ich mir, als Starbug schließlich aufhört zu reden und ich wieder schnell zurück zu meiner Gruppe gehe. Zu meiner Ernüchterung ist der Laptop noch nicht wieder hochgefahren und ich suche schon den ganzen Raum nach einem Fenster zum Rausschmeißen ab. Verdammt. Keller. Egal, denk ich und rede mit meiner Gruppe ein bisschen über das Programm und darf zwischendurch auch hier und da ein paar Zeilen Code schreiben. Mittlerweile hat die iOS-Version schon eine funktionierende Benutzeroberfläche und ist somit fast fertig. Diese fehlt der Android- App noch und als ich dann netterweise einen Laptop der anderen bekomme, kümmer ich mich um die Implementierung für Android.

Die letzten Stunden nach dem Abendessen widmen wir ausgiebigen Tests und der Minimierung von Latenzen. Mit unserer Musik treiben wir dann zwar den ein oder anderen Mentor oder Teilnehmer in den Wahnsinn, aber das ist gerade egal. Es funktioniert! Wenn auch nicht auf beiden Plattformen und nicht wirklich synchron, aber es funktioniert.

Sonntag/Tag 3: System.exit(0)

Nur noch ein paar Stunden bis zur Präsentation! Der dritte Tag Jugend hackt startet ähnlich wie der erste Tag. Frühstück, Kaffee und noch mehr Kaffee, bis die Augen einigermaßen offen bleiben. Danach geht es dann für die Programmierer ins Jugendhaus und für die Tüftler in das FabLab. MusicSync läuft und wir testen noch ein paar mal alle Funktionen aus. Heute Vormittag geht es dann in die Wabe, wo alle Projekte vor Publikum im Saal und im Stream auf rocketbeans.tv vorgestellt werden. Wir haben als Vorbereitung schon am Samstag unseren Vortrag kurz eingeübt und arbeiten jetzt noch ein bisschen an der Präsentation. Die Software funktioniert mittlerweile auch plattformübergreifend, sodass die iOS Geräte auch das Signal des auf Android basierenden Smartphones empfangen. Doch in den Tests empfängt die iOS Version nicht immer alle drei Töne und dann synchronisieren sich die Smartphones auch nicht immer genau. Noch eine Stunde bis zur Abfahrt. Ok, es gilt nur noch Kleinigkeiten zu ändern und möglichst keinen Bug mehr zu kreieren. In einer Viertelstunde geht es los. Ein letzter Test läuft problemlos. Hoffentlich bleibt das so, denke ich mir, als wir schließlich unseren Arbeitsplatz des Wochenendes aufräumen und in den Bus in Richtung Wabe einsteigen.

Im Veranstalltungsraum der Wabe stehen schon 400 Stühle, welche nur noch auf Schaulustige warten. Für alle anderen, die die Veranstaltung nicht vor Ort verfolgen können, gibt es einen Stream auf rocketbeans.tv, wo die ganze Veranstaltung übertragen wird. Die Präsentationszeit der einzelnen Gruppen ist begrenzt. Jeder hat 3 Minuten Zeit. Das wird knapp, aber wir haben zum Glück einen der letzten Vorstellungs-Slots und können erstmal gucken, wie es die anderen Gruppen meistern.

Die Kameras sind auf die Bühne gerichtet und der Saal wird ruhig. Es geht los.  Durch die Vorstellung der Projekte moderiert Marcus Richter. Ein kurzer Blick auf twitch.tv zeigt, dass mittlerweile 3.500 Leute eingeschaltet haben, um einerseits die Veranstaltung zu gucken, aber scheinbar vor allem, um sie zu kommentieren. Mir wird langsam bewusst, dass uns gleich für 3 Minuten knapp 4000 Menschen zugucken, was nicht gerade die Nervosität mindert. Zumal der Twitch-Chat jedes Projekt komplett zerreist und kleinste Fehler mit einer Welle an destruktiven Kommentaren belohnt. Oh man, wie werden die wohl auf uns reagieren. Langsam bezweifle ich, dass es sinnvoll war, die Textart der Überschriften in der Präsentation in ComicSans zu ändern. Was passiert, wenn die App nicht funktioniert, nicht synchron läuft oder gar abstürzt? Keine Panik. Es kommen vor uns ja noch andere Projekte.

Darunter ist unter anderem „Querschläger„, eine Library geschrieben in Haskell, welche es ermöglichen soll, komplett anonyme Chat-Clients zu basteln. Das Thema Anonymität im Netz  hat durch das Vorratsdatenspeicherung-Gesetz wieder an Bedeutung gewonnen. Deswegen ist „Querschläger“ auch mehr als nur einen Blick wert! Eine andere geniale Idee verwirklichten die Leute von „CrowdFlow„, welche anhand der im W-Lan eingeloggten Geräte die Verteilung der Menschenmassen analysieren und visualisieren. Damit können früh Engpässe auf Veranstaltungen erkannt werden.

Jetzt geht es für uns auf die Bühne. Ziemlich aufgeregt taumel ich durch die Gegend, sodass ich nicht einmal im Bild der Kamera stehe. Das Ganze ist schwierig nachzuerzählen, aber Jugend hackt hat die Präsentation aller Projekte hier hochgeladen (Querschläger ab 1:00:50; CrowFlow ab 27:10; MusicSync ab 1:19:15). 3 Minuten später gehe ich erleichtert von der Bühne und mein erster Blick gilt dem Chat und Twitter. Wie man sich über Schriftarten wundern kann, ist mir echt ein Rätsel.

ComicSans-Kommentar
Twitter hat zu allem eine Meinung

Nachdem schließlich auch noch die letzten Projekte vorgestellt wurden, durfte Peter Kirn seine programmierte „Musik“ präsentieren. Der perfekte Augenblick mal nach draußen zu gehen und einmal einen Moment Pause zu machen. Zeitgleich startet die Online-Abstimmung für den Zuschauerpreis, bei welchem alle Zuschauer des LiveStreams und aus dem Saal abstimmen können und die Jury zieht sich zurück, um über die Preisvergabe zu beraten.

Es wäre gelogen, wenn wir nicht gerne gewinnen würden, da ein Preis zeigt, dass die Arbeit des Wochenendes auch andere überzeugt. Doch der Preis ist wirklich zweitrangig, denn das Wochenende hat für mich schon bis jetzt viel mehr Gewinn gebracht, als ein Urkunde geben könnte. Ich habe neue Leute, neue technische Möglichkeiten, neue Denkweisen und vieles mehr kennengelernt. Zusätzlich dazu haben wir als ein frisch zusammengesetztes Team unter Zeitdruck ein Produkt entwickelt und vor Publikum präsentiert. So etwas lernt man nicht mal eben in der Schule!

Die Preisverleihung beginnt und im Saal wird es wieder leise. Die Preise wurden verliehen. Alle? Nein, nicht alle. Ein Preis leistet Widerstand. Der Publikumspreis kann nicht verliehen werden, da die Website auf der abgestimmt werden kann down ist. Das und der Fakt, dass der Hashtag #jugendhackt trendet, zeigt nochmal ganz gut, dass das Interesse für Jugend hackt unerwartet groß ist. Um die Preisverleihung nachzuvollziehen, empfehle ich bei Interesse nochmal den Livestream (2:08:26-bis 2:17:30).

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Abschlussveranstaltung in der Wabe

So schnell gehen dann doch auf einmal 3 Tage rum. Müde und glücklich geht es für mich zurück in die Heimat. Die Gesprächsthemen ändern sich ruckartig mit dem Verlassen der Veranstaltung und auch die Müdigkeit lässt sich nicht mehr verstecken. Aber das sind nicht die einzigen Auswirkungen von Jugend hackt. Ich merke wie in meinem Kopf an den Tagen danach immer noch Gedanken zu Projekten durch den Kopf schwirren und mir plötzlich andere Projekt-Ideen einfallen. Vielleicht sind sie ja dann beim nächsten mal Jugend hackt an der Reihe.

 

Für die, die jetzt noch mehr über die Aktion erfahren möchte ist hier die Website.

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